Vollzug des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG);
Raumordnungsverfahren (ROV) für das Vorhaben „Ostbayernring – Ersatzneubau 380-kV-
Leitung Redwitz – Schwandorf“ der Tennet TSO GmbH;
Hier: Stellungnahme der Gemeinde Kirchendemenreuth
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die gewährte Fristverlängerung vielen Dank.
Zunächst möchte ich Ihnen die schwierige Situation für die Gemeinde Kirchendemenreuth schildern,
die von der Maßnahme wie kaum eine andere Kommune betroffen ist:
Die Planungsunterlagen sehen südlich der Stadt Windischeschenbach verschiedene Varianten vor, die
allesamt das Gemeindegebiet belasten. Sicher läuft bereits jetzt eine Freileitung durch unser Gemein-
degebiet. Die jetzt beabsichtigte Masterhöhung wird jedoch in jedem Fall die Situation nicht verbessern, sondern eher weiter verschlechtern.
Ausgehend von der Bestandslage möchte ich Ihnen dennoch einige Eckpunkte bei Ihrer Entscheidung
auf den Weg geben:
- Trassenvarianten
Aus der Öffentlichkeitsbeteiligung bis 29.01.2016 ging als eines der entscheidenden Ergebnisse hervor, dass in der Bürgerschaft und insbesondere bei den jeweils von den Planungen betroffenen Anwohnern nach wie vor große Vorbehalte und Ängste in vielfältiger Weise bestehen. So erscheint jeder Trassenvorschlag für die jeweils nächstliegenden Dorfbewohner ablehnungs-würdig.
Die Varianten „Ost“ a) und „West“ b) wird die Gemeinde auf Grund der Wahrung des inneren
Friedens weder einseitig bevorzugen, noch gar gut heißen. Die Untervariante c) ist aus Sicht
der Gemeinde völlig abzulehnen. Im Einzelnen:
- a) Variante „Ost“ – B3b.a/b/c.a/c.b
Die neue Variante im Osten führt durch wenig besiedeltes Gebiet und kann optisch über weite
Strecken an die Autobahn A 93 angebunden werden. Die bisherigen Anwohner an der Bestands-trasse würden vorerst entlastet.
Gegen diese Trassenführung regen sich jedoch erhebliche Widerstände seitens der Anwohner,
die bisher keine Stromtrasse „ertragen“ mussten und der privaten Waldbesitzer, die eine massive Entwertung ihres Nutzholzbestandes befürchten.
- b) Variante „West“ – a/a.b/b.a/c.a
Die Anwohner der bisherigen Bestandstrasse monieren die schon jetzt bestehende Belastungs-
situation, die sie bereits seit 40 Jahren ertragen. Diese würde durch die zu erwartenden Masten-erhöhungen noch verschärft werden.
Ebenso wie die Anwohner der Variante „Ost“ befürchten sie berechtigt einen massiven Eingriff in die Flur, wie in die Waldbestände, da eine geplante neue Leitungsführung nicht auf der
Ursprungstrasse, sondern daneben in ca. 65 m Abstand geführt werden soll. Dies leistet der Befürchtung Vorschub, dass die auf diese Weise erzielte Verbreiterung der Bestandstrasse auf
Grund der eingetragenen Dienstbarkeiten zu einer „Monstertrasse“ ausgebaut werden könnte.
Sollte ein Ersatzbau entlang der bestehenden Trassenführung unumgänglich sein, dann sollte er
größtenteils direkt auf der bestehenden Trasse verwirklicht werden. Dies ist im Staatswald
(Manteler Forst) möglich, warum nicht in der Fläche; was für den Staat gut ist, ist auch für
seine Bürger gut und verringert den Eingriff in die Natur.
Um die Ortschaft Püllersreuth zu entlasten, sollte bei Favorisierung dieses Trassenvorschlags
die Umgehung mit der Bezeichnung B3a.a gewählt werden.
- c) Untervariante Querung – a/c.a
Als Untervariante wird eine Querung von der neuen Trasse im Osten, abzweigend von der Auto-bahn zur alten Bestandstrasse vorgeschlagen. Die Gemeinde spricht sich kategorisch gegen
diese Neutrassierung aus, die auf der Südseite (Balkonseite) der Ortschaft Püllersreuth verlaufen würde.
Nach einhelliger Beurteilung durch das Trassenuntersuchungsteam (TUT) wurde eine derartige Trassenführung als „No Go“ kategorisiert. Entlang des gesamten Ostbayernrings würde nur der Ortschaft Püllersreuth so eine Situation zugemutet.
Hier sind auch geschützte Vogelarten wie der Schwarzstorch eingetragen. Vorkommen geschützter Tier-arten sind von ganz besonderer überregionaler Bedeutung und sollten vor Festlegung einer Trassenvariante unbedingt ausreichend abgeklärt sein. Bei der Scheuheit solcher Vogelarten würde dies zum Beispiel bedeuten, dass längere Beobachtungszeiten erforderlich würden, um deren Nist- und Futterplätze zu eruieren.
Unseres Erachtens ist kein geringerer Maßstab als etwa bei der Errichtung von Windkraftanlagen anzulegen. Jedes an einer ungewohnten neuen Stromfreileitung verendete Tier ist eines zu viel.
- Löschung von Leitungsrechten auf frei werdenden Trassenflächen
Sollten Teilbereiche der Bestandstrasse frei werden, sind diese sofort nach Inbetriebnahme der
neuen Leitung abzubauen und die betreffenden Grunddienstbarkeiten unbedingt aufzuheben
(schuldrechtliche oder dingliche Löschung von Leitungsführungsrechten).
Damit soll der Gefahr einer „Monstertrasse“ im Zuge eines eventuellen späteren Planverfahrens für eine Gleichstromtrasse (HGÜ) entgegengewirkt werden.
- Abmilderung des optischen Eingriffs in Landschaft und Natur durch Stromfreileitungen
Stromfreileitungen greifen massiv in das touristisch hochwertige Landschaftsbild, naturgegebene Kleinräume mit schützenswerten Tier- und Pflanzenbeständen und in die gewohnte Umgebung der dort ansässigen Bevölkerung ein. Dies bedeutet im Ergebnis eine Verschandelung und Zerstörung unserer Heimat.
Unvermeidliche Maststandorte müssen daher zwingend landschaftsverträglich geplant und dürfen in der Regel nur in der geringstmöglichen Höhe und Breite ausgeführt werden.
Hier verweise ich beispielsweise auf den Bundesverband Kompaktleitung – BVK, der auf seiner Website www.kompaktleitung.de neue Mastentypen vorschlägt, die vom Gittersystem ab-
gehen und ohne nennenswerte Masterhöhungen auskommen. Unter Umständen könnten solche
Masten sogar mit zusätzlichen Leitungen (etwa HGÜ) bestückt und auf diese Weise eine Bündelung der Trassenführungen erreicht werden.
Private Waldbesitzer sollten für die Inanspruchnahme ihrer Waldflächen großzügigere Entschädi-gungen erhalten als nach dem bisher angesetzten Maßstab, schon wegen der geplanten
Kapazitätserhöhung (z.B. durch deutliches Heraufsetzen der Entschädigungssätze). Dies gilt im
Besonderen für neue, bisher nicht in Anspruch genommene Baumbestände.
Sollte eine Trasse entlang der Autobahn kommen, müsste auch eine Überspannung von Waldge-bieten in gebührlichem Abstand von den Ortschaften (in Autobahnnähe) geprüft werden, um
Rodungen so weit wie möglich zu vermeiden.
- Mittelfristige Dorfentwicklungen im Bereich der Bestandstrasse und Abstandsgebot
Für eine Reihe von Ortschaften bestehen konkrete Flächenerweiterungsmöglichkeiten in Richtung Trasse für die nächsten ca. 10 Jahre, so zum Beispiel für die Dörfer Döltsch und Obersdorf. Eine Trassenerhöhung, -versetzung oder gar -verbreiterung ist hier kaum vorstellbar. Die
Gemeinde bittet hier eindringlich, dies sensibel zu prüfen. Eine enge Abstimmung mit der Ge-meinde im nachfolgenden Planverfahren erscheint unerlässlich.
Es werden in jedem Fall unabhängig vom Verlauf größtmögliche Abstände zu allen Ortschaften gefordert. Grundsätzlich bitten wir auch Einzelgehöfte oder Freizeitanlagen und Badeweiher, die entlang einer Trasse liegen, genauso in die Überlegungen über Leitungsabstände einzubeziehen.
Auch größere Siedlungsbereiche wie die Städte Windischeschenbach oder der Markt Parkstein
erhalten Zugeständnisse in Punkto „Abstand“. Insofern fordert die Gemeinde Kirchendemenreuth, dass auch für ihre relativ kleinen Ortschaften keine geringeren Maßstäbe angelegt werden. In Teilbereichen kann nach wie vor auch eine unterirdische Leitungsführung in Betracht
kommen.
- Wann kommt die Gleichstromtrasse (HGÜ)?
Auch wenn es Netzbetreiber oder planführende Behörden nicht gerne hören:
Ob und wo eine HGÜ-Stromtrasse hinkommt, ist für die Gemeinde und ihre Bürger von essentieller Bedeutung und kann weder inhaltlich noch verfahrenstechnisch vom Thema „Ersatzneubau Ostbayernring“ getrennt werden. Aussagen hierzu wurden in den umfangreichen Anlage-Ordnern schmerzlich vermisst.
Die Gemeinde regt an, das gesamte Planverfahren bis zur Klarstellung, wo eine künftige
Gleichstromtrasse überhaupt verlaufen kann, zurückzustellen. Gewisse Aussagen wären bereits
jetzt möglich, da der Investor Tennet auch die HGÜ-Planungen von Amprion übernommen hat.
Bei zwei getrennten Planverfahren wird die Entstehung einer „Monstertrasse“ (d.h. hohe Masten und breite Erdtrassen in einer Linie) befürchtet. Sollte hier eine Leitungsführung beider
Trassen quasi nebeneinander „gekoppelt“ überlegt werden, so dürfte dies eine bundesweit einmalige und nicht hinzunehmende Fallgestaltung sein.
Die verfahrensführende Behörde sollte sich die von den Bürgern vorgetragenen Ängste über
das reine Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren hinaus bewusst machen und ernsthaft
und fair bewerten.
- Zusammenfassende Bewertung der Ausführungen der Nachbargemeinde Altenstadt, der
Aussage der „Bürgerinitiative“ und des Bund Naturschutz
Die Trassenführung durch unser Gemeindegebiet ist im Wesentlichen der Tatsache geschuldet,
dass die größeren, einwohnerstärkeren Nachbarkommunen Weiden, Altenstadt/WN und Neustadt/WN umgangen werden können. Deshalb lehnen wir es ab, den Verlauf der Trasse in unserem Gemeindegebiet gerade von Bürgern aus diesen Orten und auch aus der Nachbar-gemeinde Parkstein mit fraglichen Unterschriftenaktionen aus der Ferne bestimmen zu lassen.
Keine der genannten Trassenführungen halten die Gemeindeverantwortlichen – entgegen der
Darstellung in „Der neue Tag vom 23./24.01.2016“ – für wünschenswert, weil alle Trassen-varianten mit massivem Umweltzerstörungspotential und schwerwiegenden Eingriffen in das
Landschaftsschutzgebiet einhergehen.
Laut Umweltgutachten, erstellt im Auftrag der Firma Tennet, weisen die Autobahnvariante und
die Leitungsführung, die in einem Teilstück parallel zur Bestandstrasse verlaufen soll, einen
vergleichbaren Eingriff in die Natur auf.
Über 100 Unterschriften betroffener Bürgerinnen und Bürger lehnen die Parallelführung zur
Bestandstrasse ab, so wie auch die Anlieger der Autobahnvariante nahezu vollzählig schriftlich
gegen diese Stellung bezogen haben.
Die Gemeindeverantwortlichen können deshalb keine einfache Position nach dem Muster der
Nachbargemeinde Altenstadt/WN verfolgen, in der die .Autobahn-Version in polemischer
und bewusst falsch dargestellter Art und Weise ins Sauerbachtal verlegt und die Folgen der
Neutrassierung möglichst der Nachbargemeinde nach dem „Sankt-Florians-Prinzip“ zugeschoben wird.
Nochmals zur Klarstellung:
a) Punkt 1 – Querung des Sauerbachtales
Richtig ist, dass die geplante Autobahntrasse nahe der B 22 auf Höhe der Holzmühle (Sauer-bachhütte) den Sauerbach quert. Eine alternative Querung nahe der Bestandstrasse, würde den
Sauerbach in einer ebenso idyllischen Landschaft zwischen Köstlmühle und Lenkermühle
überqueren. Der neutrale Naturschützer tut sich mit einer Wertung schwer.
b) Punkt 2 – „Fremdenverkehr“
Zur Behauptung, dass der Fremdenverkehr Altenstadts in Gefahr (in „Der neue Tag“ 23./24.
0l.2016) sei: Einem Wanderer zur Sauerbachhütte (Null Betten, auf Kirchendemenreuther Ge-
meindegebiet, an vier Tagen pro Woche geschlossen, in den Wintermonaten ganz geschlossen)
ist es auf einer Strecke von ca. 5 Kilometern nicht zuzumuten, ca. 20 Meter weit unter einer
Stromleitung durchzugehen. Bürgern in der Nachbargemeinde ist es hingegen sehr wohl zuzumuten, Jahrzehnte im Abstand von ca. 100 Metern im Angesicht und Strahlungsfeld der Trasse zu wohnen. Was für ein Menschenbild?
Im Übrigen sind seltene Wiesenblumen und seltene Tierarten wohl eher durch die Unruhe ge-
fährdet, die die Touristen in den Wald bringen.
c) Punkt 3 – Naturschutz nur für Freunde?
Die Bürgerinitiative (entscheidend mitbegründet durch die Betreiber der Sauerbachhütte) und der Bund Naturschutz sehen zu Recht einen massiven Eingriff in die Natur in der Nähe der Sauerbachhütte, aber scheinbar fällt es ihnen schwer, darüber hinaus zu blicken:
Ein paar Kilometer weiter liegt u.a. ein Wasserschutzgebiet (Oed) der Steinwaldgruppe, aus
dem über 100.000 Menschen mit Wasser bester Qualität versorgt werden. Dieses Gebiet ist
rundum mit Wald eingesäumt.
Eine Trassenführung neben der Bestandstrasse in diesem Bereich würde nicht nur eine deutliche Schmälerung des Schutzwaldes nach sich ziehen. Durch die Rodung würden zudem die darin vorkommenden fleischfressenden Pflanzen wie Sonnentau (unter Naturschutz) und Fett-
kraut (Bundesartenschutz- VO) gefährdet, die über viele Schülerjahrgänge Anschauungsobjekte
bei Wandertagen waren.
Der Sturm der Entrüstung der Bürgerinnen und Bürger ist bereits jetzt spürbar. Ein reines Registrieren
und Ablegen der bereits jetzt geäußerten Einwände genügt hier aus unserer Warte nicht.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen eine Entscheidungshilfe an die Hand gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kellner
1.Bürgermeister